Der folgende Artikel enthält wesentliche Spoiler für Borderlands 3.
Von allen Hinter-den-Kulissen-Inhalten, die zum Director's Cut-Add-on für Borderlands 3 gehören, wiegt ein Teil besonders schwer auf emotionaler Ebene: die geschnittene Szene von Mayas Begräbnis.
Ursprünglich sollte die Szene auf Mayas schockierenden Tod durch die Hand von Troy Calypso in der prometheanischen Kammer folgen, musste jedoch letztendlich aus der Story-Kampagne von Borderlands 3 weichen. Jetzt haben Spieler dank der Schatzkiste erhellender Extras in Director's Cut die Chance, die Szene als Storyboard-Animatic mit Sprachausgabe zu erleben.
Um mehr über die Entwicklung dieser starken Sequenz zu erfahren, haben wir mit Sam Winkler, Co-Lead Writer für Borderlands 3 bei Gearbox, darüber gesprochen, wie Mayas Begräbnis-Szene entstanden ist und wie es ist, sie doch noch mit der Community teilen zu können. Die vollständige Szene kann ab Start von Director's Cut ab 8. April angesehen werden.
Was ist das für ein Gefühl, dass die Borderlands-Community diese Szene jetzt so anschauen kann, wie du sie dir ursprünglich vorgestellt hast?
Sam Winkler, Co-Lead Writer für Borderlands 3: Ich habe zugegeben ein lachendes und ein weinendes Auge dabei. Es ist schwer, an einer Story zu arbeiten, ohne sich in sie zu verlieben, und ein paar Sachen müssen nun mal geschnitten werden. Aber ich freue mich sehr, dass die Spieler sich diese Momente jetzt ansehen können. Ich wünsche mir, dass mehr Spiele die Chance bekommen, die "DVD-Extras", also Hinter-den-Kulissen-Inhalte, zu veröffentlichen. Ohne das sehen die Spieler so selten den ungeschliffenen Entwicklungsprozess mit all seinen Ecken und Kanten.
Für Director's Cut haben wir uns noch einmal angeschaut, was ursprünglich für Mayas Begräbnis-Szene vorgesehen war. Wir haben mit dem Animator Hill Gavin und den original Sprechern zusammengearbeitet, um die Szene auf unseren internen Storyboard-Animatic-Standard zu bringen. So ziemlich jede Cutscene in BL3 hat denselben Prozess durchlaufen, durch den wir Sequenzen aussortieren konnten, die im reinen Textformat als Skript ganz anders wirkten. Es hat viel Spaß gemacht, die Sprecher wieder da zu haben, weil sie die Charaktere so toll verkörpern und die Intention und die Wichtigkeit der Szene sofort verstanden haben.
Wann wurde während der Entwicklung die Entscheidung getroffen, dass Maya sterben soll? Wie waren die ersten Gespräche darüber?
Mayas Tod wurde schon sehr früh Teil der Handlung von Borderlands 3, sogar bevor [Co-Lead Writer] Danny Homan und ich im Jahr 2016 zu dem Projekt stießen. Zu der Zeit entwickelte das Team gerade den großen Erzählbogen, die Handlungsstruktur von Planeten zu Planeten. Das frühe Ziel dabei war, die Calypsos als Träger einer schrecklichen neuen Kraft zu etablieren: der Fähigkeit, Sirenen ihre Kräfte wegzunehmen und für sich selbst zu nutzen. Erst später implementierten wir die Sequenz, in der Lilith ihre Kräfte an Tyreen verliert und die quasi alles Weitere auslöst. Zu dem Zeitpunkt war Mayas Erzählstrang bereits fest eingebaut.
Waren auch andere Hauptcharaktere im Gespräch, von den Calypso-Zwillingen umgebracht zu werden, oder stand Maya von vornherein fest?
Die Sequenz in der Kammer auf Promethea sollte immer mit Mayas Tod enden, einfach bedingt durch die Natur des Augenblicks. Die Calypsos mussten zu Lasten der Crimson Raiders stärker werden. An bestimmten Punkten der Entwicklung gab es andere Calypso-Opfer später in der Geschichte, aber die überlasse ich der Vorstellungskraft.
Welche Gefühle wolltest du bei den Spielern in dieser Szene für Ava erzeugen? Und für Lilith?
Die erste Szene an Bord der Sanctuary III dreht sich um Schmerz und Machtlosigkeit. Ava ist jung, doch sie hat sich schon sehr oft verloren und einsam gefühlt. Niemand war jemals mehr Familie für sie als Maya. Nachdem der erste Schock vorbei ist, reagiert sie wütend – auf Maya, weil sie fort ist, auf Lilith, weil sie zu helfen versucht, auf sich selbst, weil sie geglaubt hatte, dass alles gut werden könnte. Derweil ringt Lilith immer noch mit ihrem eigenen Bild von sich als Anführerin. Sie hat zunächst ihre Kräfte verloren und dann eine enge Vertraute. Als Anführerin übernimmt sie die Last der Verantwortung, obwohl Maya sie ja ausdrücklich darum gebeten hatte, auf dem Schiff zu bleiben.
In der zweiten Szene auf Athenas geht es komplett um Vertrauen. Sobald die Emotionen sich wieder etwas beruhigt haben, können die beiden sich annähern und sich gegenseitig ihre Ängste eingestehen. In ihrer Trauerrede bewundert Lilith Mayas Fähigkeit, Dinge in Leuten zu sehen, die nicht einmal die Leute selbst erkennen können. Danach söhnen sie und Ava sich durch den tröstenden Gedanken an Mayas Vertrauen in sie beide aus. Ohne Maya müssen sie nun das verkörpern, was sie in ihnen gesehen hat. Lilith kann Maya nicht ersetzen oder sie zurückbringen, doch sie kann für Ava Familie sein, so wie Maya es war. Es liegt an Ava, ob sie dieses Angebot annimmt und ihre Angst vor dem Verlassenwerden überwindet, die sie zuvor zum Angriff getrieben hat.
Im Storyboard sehen wir auch Krieg und Zer0 ganz kurz, die ja lange an der Seite von Maya gekämpft haben. Was geht ihnen während der Begräbnis-Szene durch den Kopf?
Zer0 ist ein ziemlich zugeknöpfter Charakter, doch er respektiert nichts mehr als Krieger. Maya war eine beeindruckende Kammer-Jägerin und musste auf Pandora die gleichen Herausforderungen meistern wie er. Für ihn geht es also darum, sie mit einer athenaischen Zeremonie so zu ehren, wie sie es sich gewünscht hätte.
Krieg ist ein krasser Typ. Wer die Geschichte aus Borderlands 2 und dem Kurzfilm Meat Bicycle Built for Two kennt, weiß genau, dass Krieg durch Mayas Tod am härtesten getroffen ist. Auf Pandora können wir ECHO-Logs anhören, die die Fortschritte zeigen, die Krieg dabei gemacht hat, seine zwei Persönlichkeiten in Ausgleich zu bringen. Es lag zu einem Großteil an Mayas Vertrauen in ihn, dass er das geschafft hat. Als sie stirbt, hat er das Gefühl, nicht mehr heilbar zu sein. Doch wie Psycho-Krieg und der fantastische Fustercluck zeigt, leben die Toten auch weiter in denen, die sich ihrer erinnern.
Wie ist die Storyline von Psycho-Krieg und der fantastische Fustercluck davon beeinflusst, dass Mayas Begräbnis-Szene es schließlich nicht ins Hauptspiel geschafft hat?
Wenn Spieler sich die Szene anschauen, vermuten sie bestimmt schon aufgrund seiner Anwesenheit, dass Krieg im Hauptspiel in der Promethea-Storyline vorkommen sollte. Nachdem er aus der Sequenz geschnitten wurde, bleiben nur die ECHO-Logs von Pandora zusammen mit Mayas – wie sich gezeigt hat – letzten Worten an ihn: "Keine Sorge, Großer. Ich komm wieder. Versprochen", die nun viel dramatischer sind als zu dem Zeitpunkt, als sie geschrieben wurden. Als wir mit der Arbeit an DLC4 angefangen haben, wussten wir, dass wir Mayas zentrale Bedeutung für Krieg thematisieren mussten, ohne das bereits brillant erzählte Verlust-Motiv von Tiny Tinas Sturm auf die Drachenfestung aus Borderlands 2 neu aufzurollen. Das brachte uns dazu, Maya nicht nur als Objekt der Trauer zu zeigen, sondern als Person, die immer noch konstant und sich entwickelnd in Krieg lebendig war.
Hätte es noch andere Charaktere gegeben, die du gern auf Mayas Begräbnis gesehen hättest?
Ich hätte total gern alle Kammer-Jäger aus Borderlands 2 bei diesem Moment dabeigehabt. Wir haben darüber gesprochen, Charaktere zu implementieren, die Maya gekannt hatten, wie etwa Sir Hammerlock und das B-Team (Tina, Brick und Mordecai), aber sie waren an dem Punkt noch nicht Teil der Handlung der Kampagne, also hätte das die Timeline gesprengt.
Was bedeutet es für eine Sirene zu sterben? Erleben Sirenen den Tod anders als Normalsterbliche?
Was auch immer ihre metaphysischen Kräfte sein mögen: Letztendlich sind Sirenen menschlich. Sie sterben, sei es durch eine Kugel im Kopf oder einen Tentakel durch den gesamten Körper. Tatsächlich beantwortet Borderlands 3 einige Fragen zu den Sirenen, aber wirft gleichzeitig noch mehr neue auf. Wenn eine Sirene stirbt, kann sie wählen, ob ihre Kräfte auf eine andere Person übergehen oder ins Universum entlassen werden sollen. Eine Sirene kann noch die Verbindung zu dem vorherigen Besitzer ihrer Kräfte wie ein Seil oder eine Kette in die Vergangenheit spüren, was sowohl Maya als auch Nyriad in verschiedenen Situationen erwähnen. Sie können außerdem Objekte mit ihren Erinnerungen durchtränken und sich selbst von eigentlich katastrophalen Verletzungen mit Eridium heilen. All das lässt darauf schließen, dass der Tod für Sirenen ein bisschen komplizierter sein könnte.
